Erläuterung zu „ABWINKL – splendid desolation“ Im Folgenden erkläre ich in fünf Abschnitten, wie die Serie hergestellt und aufgebaut ist, wie sich die Performances und der Gegenstand der Erzählung zueinander verhalten und wie mein Interesse an dem Stoff und die erzählerische Konstruktion entstanden sind. Außerdem lege ich die dingliche Ausstattung des Projekts sowie die theoretischen und beobachtenden Vorarbeiten dar.
1 Abwinkl ist eine Serie von Videoperformances, bei denen ich in zwei Rollen auftrete – als gealterter Werbegrafiker in den 80er Jahren, der, nachdem er an einem SPD-Logo gescheitert ist, an den Tegernsee umsiedelt und sich konzept-künstlerisch ausprobiert, sowie als dessen Sohn. Dieser versucht sich sehr viel später anhand des väterlichen Nachlasses ein Bild von seinem ihm nur wenig bekannten Vater zu machen, wobei ihm seine eigenen Projektionen in die Quere kommen. Zudem sind der Status und der Wert der hinterlassenen Werke des Vaters mehr als fraglich. Sohn Karl ringt quasi mit der obsolet gewordenen Vaterkunst, was stellvertretend für heute in Zweifel gezogene Positionen in der Kunst stehen mag. Im gleichen Sinn nimmt der Kampf des Vaters mit seinen Projektpartnern die Krise der Repräsentation des Subjekts im Kunstwerk vorweg. So zumindest erschien es mir im Nachhinein bei der Sichtung meiner bisherigen Videos – dem Pilot, der Episode „Karl“ und der ersten Takes der Episode „Michael“ (Fertigstellung für 2024 geplant). Als Stoff hat sich im Laufe der Arbeit an dem 2017 begonnenen Projekt das Künstlertum im populären Verständnis und diesbezügliche restaurative Tendenzen herausgestellt.
2 Bezüge zwischen Performance und Stoff/Gegenstand Der Impuls zu den sprachbasierten Enactments verdankt sich einer Lust an der Nachahmung von Übertreibungen und Fehlleistungen (Karl: „Ich habe als Kind nie geweint!“), ihr Gegenstand rührt jedoch von meinem Interesse an der Lebensaufgabe Kunst, so wie sie die Gesellschaft an die Subjekte heranträgt und wie das Subjekt dies bewältigt (Michael: „Anatomy! You first have to study the human body!“). Die Shootings habe ich bewusst in Form von Experimentalanordnungen vorbereitet – teils geskriptet, teils spontan, teilweise unter Verwendung von Shadowing (Nachsprechen von Text aus Ohrhörern), aber immer in der inneren Haltung der Glossolalie oder „speaking in tongues“. Der Impetus meiner Verstellung als Karl oder Michael geht in Richtung des Spöttischen, ich hantiere also mit rhetorischen Werkzeugen aus der Mottenkiste der Kritik. Das alles sind Komponenten für Versuche, deren Zwischenresultate (Takes) anschließend im Ton- und Bildschnitt eine Zurichtung ähnlich dem Seriengenre erfahren. Die weiter oben genannten spontan erzeugten Komponenten sind nur relativ kontrollierbar. Genau dieses mehrfache und offene Verhältnis der Komponenten (oder „Aktanten“) möchte ich ausstellen. Der Untertitel „splendid desolation“ soll als eine zum Glanz gebrachte Trostlosigkeit aufgefasst werden und korrespondiert mit meiner Klassifizierung der Serie als Burleske.
3 Entstehung meines Interesses an dem Stoff Die zur künstlerischen Existenz notwendigen Haltungen und Habits werden meiner Beobachtung nach gelernt und eingeübt, aber auch lebenszyklisch angenommen, benutzt, abgelegt und abgewehrt. Sie unterliegen außerdem Moden und anderen Zeittendenzen. Ich versuche – auch mittels Zeitblenden bis zurück in die Kindheiten – ein Panoptikum von Klischees, Idiosynkrasien und Absonderlichkeiten vorzuführen. Die Charaktere entsprechen in ihrem Denken und Handeln dabei dem „unglücklichen Bewusstsein“, von dem Hegel gesprochen hat, und sind durch ihr Tun und Sprechen typisiert als schöpferische Menschen. (Ich bin kein Hegel-Leser, stieß auf seine Schrift „Phänomenologie des Geistes“ bei der Recherche zur Begriffstradition des Wortes „Sehnsucht“, das Peter Ott in einem Gespräch über Filmarbeit erwähnte.) Gerade Begriffe der klassischen Philosophie sind hier geeignet, um zu den klassischen Widersprüchen vorzudringen, die hinter den Handlungen der Protagonisten stehen sollen. Der althergebrachte Geniebegriff klingt mit, wenn die Vorstellung vom Vater als grandios und genial vom Sohn zuerst ausgelebt und dann aggressiv abgewehrt wird. Man kann hier dem Hegelschen Bewusstsein getrost das Freudsche Unbewusste zur Seite stellen, denn es ist augenscheinlich, dass in meinen Performances sowohl das Unbewusste der Figuren, etwa in gemimten Übersprungshandlungen Karls oder in hysterischen Ausfällen Michaels, gemeinsam mit dem Unbewusste des Performers - meinem eigenen - auftaucht. Konkret sind für mich meine Erfahrungen mit der Formation „öffentliche Institution und Familie“, meine Kunstpraxis, die Vermittlung meiner Arbeit sowie besonders meine Lehrtätigkeit rückblickend ein zu untersuchendes Kontinuum. Denn dieses Feld der Kunst und Gestaltung besitzt in den beiden Sphären Praxis und Ausbildung wegen der dominanten Freiberuflichkeit einen existenzbezogenen Problemhorizont: Wie lernt man, von dem stabil zu leben, was einen eigentlich wanken lässt? In Künstlertum, artisthood, agency spielen immer auch Ängste ebenso wie Strategien der Wissenschaft und Wirtschaft eine Rolle. Das Subjekt in seinem Aufeinanderbezogensein von Autonomie und Heteronomie gilt dabei als zentral. Die Lebensaufgabe Kunst bringt notwendigerweise Phasen der Verwirklichung und der Krisen des Werks und des Selbst hervor. Die literarische Bearbeitung künstlerischer Existenz- und Sinnkrisen bezog sich, außer z.B. bei Virginia Woolf, lange auf das männliche, privilegierte, westlich geprägte Subjekt. Das Vokabular dessen prägt bis heute die Massen- und die Hochkultur bis in die klassisch linken Milieus, und Karl und Michael reproduzieren sie. Mich in die Vorstellungen und Phantasmen meiner beiden Figuren skriptend und spontan performend hineinzuversetzen fiel mir relativ leicht. Ich reflektierte in diesem Zug selbst erlebte Mechanismen auf dem Markt, in Institutionen, der Öffentlichkeit. Ich versuchte, das ganze Spektrum zwischen stillem Versagen, Scham und spätem Ruhm auszuloten. Dabei fiel mir auf: Das Zeigen auf das Eigene wie auch das wohlmeinende Zeigen auf das Andere beinhaltet eine Ermächtigung, die latent oder explizit mitgedacht ist.
4 Entstehung der erzählerischen Konstruktion von Abwinkl Es ist vor allem auch einer guten Quellenlage – einer Materialsammlung über drei Generationen – zu verdanken, dass ich das Projekt aufstellen und ausstatten konnte. Der Name Abwinkl geht auf ein Dorf am Tegernsee zurück. Er ist mir auf der Rückseite eines gefundenen Fotoabzugs aufgefallen und ich fand ihn vage und schön. Mein Interesse hatte zunächst der Vorderseite gegolten, die Wilhelm Otto Scheibe zeigt, einen Maler und Zeichner aus meiner Geburtsstadt, dessen Nachlass sich zum Teil in meinem Besitz befindet. Die Entscheidung, mir für das Projekt den Namen und Attribute des Künstlers Scheibe anzueignen, habe ich nicht leichthin getroffen. Mir war bewusst, dass in der Verwertung familienfremder und familiärer Stoffe bereits eine künstlerische Geste liegt, die prekär sein kann – nicht wegen eines sentimentalen Impetus, sondern wegen der besitzindividualistischen Fundierung. Ich möchte die Sprecherposition, die ich unhintergehbar innehabe, (nicht) überspielen.
5 Nachbemerkung zu der historischen Persönlichkeit Wilhelm Otto Scheibe (1882-1946) und deren autobiografische Bedeutung für das Projekt WO Scheibe, wie er sich nannte, hatte sein Atelier im Garten meiner Großeltern und war Teil der Familie. Ihr Haus war voller Bilder von ihm – Gegenleistungen für das ihm überlassene Malerhäuschen. Er konnte die fränkische Provinz für ein Studium in Berlin und München verlassen, kehrte aber zurück und betätigte sich als Landschaftsmaler und Zeichenlehrer, als Karikaturist, Reportagezeichner, Dichter, Kritiker und Kurator. Er war ein begeistertes Mitglied bei den Coburger „Schlaraffen“, einem karnevalesken Männerbund. Wegen Verweigerung des Hitlergrußes musste er für zwei Wochen ins Gefängnis. Mir erschien es als eine Chance, die Artefakte, Werke und Werkfragmente als einen authentischen Fundus und als Requisiten nicht trotz, sondern gerade wegen der Historizität des „Typen“ WO Scheibe – Kleinstadt-Dandy und ernsthafter Mediator in den Zwanziger- und Dreißigerjahren – für dieses Langzeitprojekt einzusetzen.
Zu „Karl“, Nachfahre, Sohn und Zeitgenosse. Bei der Arbeit an „Abwinkl“ ging es mir um die Lust an der Schilderung der Last, die uns die Lebensaufgabe Kunst sein kann. Es gibt zwei notorische Legenden über Künstlerlaufbahnen: dass man sich bei den Eltern durchsetzen musste oder dass man gefördert, gar hineingeboren wurde. Es gibt aber auch die späte Einsicht in die eigene Talentlosigkeit zum Künstlersein. Aus einer Depression hierüber kann – nach erfolgreicher Passungsarbeit – bekanntlich das größte Glück erwachsen.
Die Ansprüche der Gesellschaft stellen eine einzige Grausamkeit der bürgerlichen Kultur gegenüber ihren Künstlern dar (wobei im Fall der Künstlerinnen vieles anders ist). Das Regime verdinglicht und kapitalisiert deren Arbeit im Markt und überhöht sie im Kult. Dieser fordert die Spezialisierung und verlangt, wie von allen Mitgliedern der Gesellschaft, dass man sich künstlerisch für eine anstatt für mehrere Sachen verwendbar macht. Eine frühe Diagnose dessen formulierte J.w. von Goethe. Als Kritik an Die Anpassung daran thematisierte Douglas Huebler 1984 (1).
Doch Karl „ist anders“, sagt die Mutter (Elisabeth Findeis) aus dem Off über ihren Sohn. Und es stimmt – er geht rückwärts. Er verwandelt sich in das Idealbild seines ihm unbekannten Vaters, indem er sich bemüht, sein Talent zur Wiederherstellung eines seiner Werke einzusetzen.
Auch ich habe mich übrigens in meinen Vater und in andere, mir bekannte Väter, in Vaterfiguren, in solche, die es gerne wären, und echte und gemimte Anti-Väter verwandelt, um Karl spielen zu können.
In der Deutung der Mutter, die am Anfang des ersten Teils aus dem Off das ganze Leben und Geworden-Sein ihres Sohnes aburteilt, kommt die Einleitung von Gertrude Steins Roman „The Making of Americans“ vor. „Once an angry man dragged his father along the ground through his own orchiard. ‘Stop!’ cried the groaning old man at last, ‘I did not drag my father beyond this tree.’“
Es ist ein Gleichnis vom Gesetz des patriarchalen Fortschritts, für den der junge Bürger über das von den Vorfahren Erreichte hinausgehen soll. Dieses Gesetz gilt in den Worten der Mutter für ihren Sohn nicht. Er sei auch so über seinen Vater hinausgekommen. Doch worin? Hier klafft die gleiche Lücke, mit der die Geschichte vom Gemälde des Vaters endet. Am Schluss der Filmerzählung fragt die Kundin (Julia Lenzmann) in Karls Laden nach dem Preis der dort stehenden Überarbeitung des Gemäldes seines Vaters. Karl: „Das können Sie so mitnehmen.“ Aber die Kundin verzichtet, das Bild bleibt stehen. Was bewegt die beiden? Das Interesse an dem Objekt scheint ihnen vergangen zu sein. Der Kundin wegen der Geringschätzung des Besitzers, dem Besitzer aus ungewissen Gründen.
Das Gleichnis von einem den Vater im Garten nach sich schleifenden Sohn bedeutet an dieser Stelle alles und nichts. Das Konstrukt eines zweckbezogen übermalten Tierportraits und dessen spätere Rekonstruktion durch den Erben zur „Wiederherstellung des vorigen Standes“ (ein juristischer Terminus, von Karl bemüht) verweist weder auf die Konzeptkunst der Künstlergruppe Art & Language, noch steckt in der Schallplattenhülle der passende Tonträger bzw. die entsprechende Musik. It’s all too much.
Es liegt vor allem eine dramaturgische Überdeterminierung vor. Das ist nach S. Freud eine Vielfalt von Bewegungskräften im Traum, nach L. Althusser eine Dominanz von nebensächlichen über die hauptsächlichen Widersprüche und Kontraste einer Sache, eines Vorgangs. In den Bestrebungen der Beteiligten – Mutter, Vater, Sohn – kommt nichts eindeutig zum Abschluss. Die Mutter spricht zynisch und doch verherrlichend. Der Vater hat sich einst zurückgezogen, nimmt aber eifrig Aufträge an. Der Sohn müht sich mit einer Restauration ab und will sie verschenken. Er macht vom allerersten bis zum allerletzten Moment der filmischen Handlung alles kaputt, ob nun aus Unverständnis oder aus Zorn auf seine eigene Überlastung. Er ruiniert emsig den väterlichen Nachlass.
In Karls Handlungen liegt kein Sinn, nur der Sinn des Performativen. Sie sind kein Akt der Befreiung, weder Vatermord noch Vaterverehrung, keine Eigentherapie, keine coole Weisheit und Abgeklärtheit.
Es ist aber eines sicher: Karl ist mit dem „unglücklichen Bewusstsein“ geschlagen, von dem Hegel in der „Phänomenologie des Geistes“ spricht. „Dieses unglückliche, in sich entzweite Bewußtsein muß also [...], indem es zum Siege und zur Ruhe der Einheit gekommen zu sein meint, wieder daraus ausgetrieben werden.“ Doch es ist noch schlimmer. In der Logik von Gertrude Steins Metapher zerrt Karl seinen Vater rückwärts in die falsche Richtung, und dieser würde protestieren: „Du Idiot! Du bleibst sogar hinter deinem Großvater zurück!“
Warum fängt Karl überhaupt mit dem Übermalen an? Er möchte den als gutmütig imaginierten, zur Zweckentfremdung seiner Kunst verführten Vater rehabilitieren. Seine Bemühungen stellen eine Hommage an den Vorfahren und an die Reinheit des familiären Kunststrebens dar, in dessen Tradition stehend er sich pinselschwingend inszeniert.
In dem schwer zu begreifenden Textabschnitt der „Phänomenologie“ Hegels [3] geht es um etwas in der Malszene sehr Greifbares: Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, denn erstens nie wird das Bild das sein, als was es der Vater, der sich im Grabe herumdreht, mutmaßlich gemalt hat, und zweitens wird Karl nur vor der ihn bedienenden Kamera-Persona (Peter Ott) ein „charismatischer“ Maler sein, der sich und uns damit (herum)quält, das Tierportrait von dem störenden Avantgarde-Element Schrift zu befreien.
Karl scheint nicht zu retten zu sein. Er ist dasjenige Mitglied des Abwinkl-Personals, das als Container der Vergangenheit und ihrer Delegierungen mit sich zu kämpfen hat. Die Episode ist der zeitgenössische Teil einer kleinen Passage durch verschiedene Ausprägungen von Schöpfertum, wobei – so viel als Ankündigung – kindliches, kollektives, delegiertes, eingebildetes und metaphysisches Schöpfertum vorkommt. Vater Michael, der im Pilot als Werbegrafiker an einem SPD-Logo scheitert, stößt auch schon als Kind in der Obhut seiner Pflegeeltern, der Scheibes, wie auch später als Jugendlicher an seine Grenzen und lernt, sich der Apparate und kreativen Dienstleistungen anderer zu bedienen, was ihn gleichzeitig innerlich erhebt und grämt, denn er ist Sozialist, ist für Gerechtigkeit. In seinem Fall soll, anstatt wie bei Karl von einem unglücklichen Bewusstsein (Hegel) zu sprechen, über seine glücklichen Fähigkeiten spekuliert werden, die einmal „negativ“ (Wilfried Bion) und lediglich ahnend, ein anderes Mal zustandsgebunden (Leo Navtatil) überschießend oder ein weiteres Mal borderline sind. Michael, der nur in den Legenden über ihn plastisch wird, ist cool, aber anstrengend, im Grunde nicht auszuhalten. In Umkehrung der negativistischen Selbstkontrolle des Karl, der zwanghaft Überflüssiges wegkürzen und Unwesentliches vernichten will, ist Michael bereits im Pilot und in den geplanten Folgen ein Empath und Hedonist, der mit unbändigen Impulsen und selbstverschwenderischer Angriffs- und Genussfreudigkeit aufwarten kann, mit diesen Talenten jedoch auch ringt, Skrupel hat und mehr. Die Wahl der Geburtsjahre Michaels bzw. Karls, 1925 bzw. 1955 und Rückblenden in 1933, 1945, 1983 und 2019 verleihen dem Horizont des Projekts epochenspezifische kultursoziologische Tiefe. Zu den beiden Hauptcharakteren: Bei ähnlicher Selbstverkrachtheit unterscheiden sich beiden im Grad ihrer Selbstverwirklichung, in der Art der Lebensaufgabe und im Lebensverlauf. Der Sohn nicht der Gertrude Stein’sche Obstbauer, sondern - hierin sehr aktuell - ein Verwalter obsolet gewordener Vaterkunst. Man kann fragen, was von Hegels Überlegungen (2) im Allgemeinen und für die Zukunft Bestand hat. Sicher nicht nichts. Auch Goethes Wilhelm Meister ist ein Exponent des bürgerlichen Zeitalters. Solange das aber noch herrscht, sind auch Typen wie Karl und Michael in uns oder wenigstens unter uns, manchmal auch über uns. --- (1) siehe auch Draxler, Helmut (Hg.), Michael Dreyer - Theorie und Plastik, Berlin 2016, S. 128; einsehbar auf www.michaeldreyer.info (2) Hegel über das „unglückliche Bewusstsein“; in: „Phänomenologie des Geistes“, aus Abschnitt IV https://www.projekt-gutenberg.org/hegel/phaenom/phaenom.html „Es verhält sich […] zu seinem Gegenstande nicht denkend, sondern indem es selbst zwar an sich reine denkende Einzelnheit und sein Gegenstand eben dieses, aber nicht die Beziehung aufeinander selbst reines Denken ist, geht es, so zu sagen, nur an das Denken hin, und ist Andacht. Sein Denken als solches bleibt das gestaltlose Sausen des Glockengeläutes oder eine warme Nebelerfüllung, ein musikalisches Denken, das nicht zum Begriffe, der die einzige immanente gegenständliche Weise wäre, kommt. [...] Es wird diesem unendlichen reinen innern Fühlen wohl sein Gegenstand; aber so eintretend, daß er nicht als begriffner, und darum als ein Fremdes eintritt. [...] Es ist hiedurch die innerliche Bewegung des reinen Gemüts vorhanden, welches sich selbst, aber als die Entzweiung schmerzhaft fühlt; die Bewegung einer unendlichen Sehnsucht, welche die Gewißheit hat, daß ihr Wesen ein solches reines Gemüt ist, [...] Zugleich aber ist dies Wesen das unerreichbare Jenseits, welches im Ergreifen entflieht, oder vielmehr schon entflohen ist. [...] statt das Wesen zu ergreifen, fühlt es nur, und ist in sich zurückgefallen; indem es im Erreichen sich als dies entgegengesetzte nicht abhalten kann, hat es, statt das Wesen ergriffen zu haben, nur die Unwesentlichkeit ergriffen. [...]“